Samstag, 16. Juni 2007
Parallelwelt
Grollend rumpelt sie runter, es geht abwärts, doch Du merkst es nicht, bist so in Gedanken versunken. Es wird dunkel, der Tag verschwindet langsam, verblasst im Spiegel, bevor das Licht angeht, doch Du merkst es nicht, bist in Gefühlen gefangen. Sie hält an, Menschen stolpern, ein Schrei rauscht vorbei und das Quäken der Gesichter verschwimmt in Deinen Ohren, doch Du merkst es nicht, bist in Dir selbst gelähmt. Es wird leer um Dich herum, eiskalte Stille schwappt und wärmt Deine Seele. Du schreckst hoch, von der Bank geschüttelt und rappelst Dich auf, die Zeit fest in Händen und starrst in die leere Biegung, die das, was Dich dort hielt, soeben verschluckte.

Die Bahn hält mit quietschenden Bremsen. Das Licht flackert. Du schaust Dich um. Bist allein. Es wird warm, Du beobachtest die Kälte, die sich langsam verflüchtigt. Es ist still hier - fast still, nur ein leises Brummen, ein entferntes Rumpeln. Du hälst inne, lauschst aufmerksam. Die anderen, das ist klar, drüben, dort, wo Du nicht bist.

Rundherum festes Gestein. Es ist eng, der Fels ist rauh, rauh und warm, scheint zu pulsieren. Du tastest Dich vor, an den Schienen entlang, bis Dir klar wird, hier geht es nicht weiter.
"Sackgasse",
sagt die Wand und lächelt freundlich,
"Du kannst gerne bleiben, ich bin seit gestern allein. Es ist so einsam hier."

Du schweigst verunsichert, nein, Du möchtest nicht bleiben, und wo sind wir hier, und überhaupt, es ist schon so spät, und seit wann fährt die U18 hier runter, was ist mit dem Fahrplan, und die Uni geht doch gleich los und daheim wart...

"Halt mal die Luft an!"
Das klang streng, und Du gehorchst. Seit wann können Wände sprech...
"Ich kann!" Du schluckst.

"Parallelwelt."
Wie, Parallelwelt?
"Parallelwelt."
Parallelwelt.
"Genau, Parallelwelt."
Parallelwelt, denkst Du, drehst Dich um und steigst wieder ein.
Parallelwelt. Und wann...? Und wie...?

"Was is jetzt?"
Du schreckst hoch.
"Gehst Du oder bleibst Du?"
Du schüttelst den Kopf, und die Bahn setzt sich schaukelnd in Bewegung.
Es dauert nicht lange, bis die Station in Sicht kommt.

"Berliner Platz."
Du nickst, kletterst hinaus und starrst ihr hinterher, wie sie langsam davonrattert.

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Verhütung
Dicker zähler watteweicher Einheitsbrei
in meinem Kopf
und rummmmms! Sind die Schotten unten, und nicht nur die
Tonnen von Stahl rasseln auf Deinen Fuss
Du machst einen Satz nach hinten,
es muss weitergehen, und dazu brauchst Du Dein Laufwerk,
also gehst Du auf Abstand. Sicher ist sicher.

Gespenster von vorher,
lupfen den Mantel, "guckuck, da sind wir wieder",
Du erschrickst Dich zu Tode und willst rennen,
weit weg laufen.
Aber Du bleibst, ganz tapfer, schluckst runter, was Dir im Hals sitzt und setzt an zu einer Erklärung. Beschämt, dass das IMMER NOCH NICHT geht, aber besser jetzt, bevor's richtig schlimm wird. Is nur fair, denn die Katze im Sack will wohl niemand kaufen.

Und dann, eine kalte Dusche...was hab' ich erhofft? Verständnis? Zu Recht stellt sich die Frage, was wäre, wenn? Wenn wirklich was ist? Und wenn diese alte scheiß Panik wieder zuschlägt, die Dir den Atem raubt, die sticht und grillt, bis alles wund ist und Du nur noch ein zitterndes Häufchen Elend bist, wohlwissend, dass es keinen Grund für eine derartige Reaktion gibt, Du total überreagierst und die Angst und ihre Symptome deshalb nicht weniger real sind?

Aber wie soll man all das jemandem erklären, der das nicht kennt? Im Vorfeld, BEVOR es soweit ist, als Vorab-Entschuldigung. Funktioniert nicht.

Und so stiefel ich zum Schrank, jetzt, VORHER, grabsche mir, was ich greifen kann, Strümpfe und Socken und stülpst einen nach dem anderen fein säuberlich über jedes renitente Gefühl. Das nennt man dann Verhütung.

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